1956 kann kommen…

Achtung: Dies ist eine Weiterführung des Beitrages 1955 muss warten, in dem> ich erläutert habe, warum die historischen Jahres-Charts völlig neu berechnet werden müssen. Es macht also Sinn, den verlinkten Artikel vor diesem> zu lesen.

Den Anfang macht das Jahr 1956, die aktualisierten Jahres-Charts sind ab dem> 26. Dezem>ber online und der Betrachter wird viele änderungen entdecken können.

Zunächst die gute Nachricht: Wenn man die alten und die neuen Top 100 (insgesamt 126 Titel) vergleicht, dann stellt man fest, dass fast die Hälfte aller Filme Pi mal Daumen ähnliche Besucherzahlen haben wie vor der Neuberechnung. Ein Drittel der Filme legt zu, ein Fünftel der Filme baut ab. Und fünf Filme sind gänzlich neu in den Top 100, die vorher nicht einmal in den Top 248 zu finden waren.

Insgesamt gibt es sogar 44 neue Besucher-Millionäre, die nie in den alten Top 248 auftauchten. Zwei davon zählen nicht so richtig, da sie bislang falschen Jahren zugeordnet waren (ich habe übrigens sämtliche Starttermine mit den damaligen Quellen abgeglichen ? bei nicht wenigen Filmen kursieren nämlich in den gängigen Online-Datenbanken ungenaue oder falsche Starttermine). Von den restlichen 42 Filmen sind es hauptsächlich internationale Filme (darunter 17 aus den USA und 10 aus Frankreich), die neu sind. Lediglich sechs Filme sind deutschsprachig (fünf deutsche und eine österreichische Produktion).

Dies ist vor allem> der Tatsache geschuldet, dass die Jahres-übersicht im Filmecho unterschiedliche Mindestanforderungen stellte: Um in die Endabrechnung zu kommen, genügten zehn Erfolgsmeldungen der Kinobesitzer an die Redaktion für deutschsprachige Filme, für ausländische Filme mussten es aber zwanzig sein (damit kein Missverständnis aufkommt: Die allermeisten ausländischen Filme waren natürlich deutsch synchronisiert).

Warum ging es also für die Hälfte der Filme ? zum Teil deutlich ? bergab oder bergauf? Und warum sind 70 % der Verlierer deutschsprachige Produktionen? Wie im letzten Artikel erwähnt, berücksichtigt die Endabrechnung des Filmechos nicht die Theatergröße oder die Laufzeit. Ganz allgem>ein war es aber so, dass deutsche Filme eher Schnellabsahner und ausländische Filme öfter Langläufer waren.

Nur mal ein Beispiel: Die Christel von der Post war mit 4.417.000 Besuchern in den alten Charts nicht weit entfernt von Die tätowierte Rose mit 3.925.000 Besuchern. Aber die durchschnittliche Laufzeit pro Kino lag beim deutschen Film bei sieben Tagen, beim US-Film aber bei zwanzig Tagen. Dem>entsprechend verliert die Christel bei der Neuberechnung Besucher, während die Rose zu den (großen) Gewinnern gehört.

Hier muss ich nun einschieben, dass das Auswertungssystem> in den 50er Jahren ein ganz anderes war als heute. In den Großstädten gab es die Erstaufführungskinos, die Zweitaufführer und die Drittaufführer (vor allem> Stadtteil- und Vorortkinos). Die Erstaufführungskinos spielten oft nur eine Woche (Flops wurden schon nach drei oder vier Tagen abgesetzt), lediglich die großen Blockbuster hatten Laufzeiten von zwei bis vier Wochen (oder in selten Fällen noch länger). Später erhielten dann die Zweitaufführer Kopien, und wenn alle Großstädte abgefrühstückt waren (damals waren 40-80 Kopien normal), kamen die Drittaufführer zum Zuge.

Es gab aber in Deutschland auch den sogenannten Showcase Release. Filme wie Vom Winde verweht, Die zehn Gebote oder In 80 Tagen um die Welt liefen erst einmal Monate (manchmal auch Jahre) lang in einem> einzigen Kino der Stadt, bevor dann deutlich später die normale Auswertung (Roadshow Release) begann.

Im selben Bereich wie Christel und Rose lag auch Fellinis La Strada (4.136.000 Besucher), der ein wenig Federn lassen musste. Der Klassiker hatte zwar im Schnitt 18 Tage Laufzeit pro Kino, aber die durchschnittliche Kinogröße lag bei 495 Plätzen vs. 832 für Christel und 607 für Rose.

Da meine neue Formel neben der Geschäftsbewertung der Kinobesitzer nun auch die Saalgrößen und Laufzeiten berücksichtigt, ist es also kein Wunder, dass es zu den entsprechenden änderungen kommt.

Während die Erfolgsbewertungen beim Filmecho und Sonderdienst auf Einsendungen der Kinobesitzer basieren, gaben Der neue Film und Filmwoche das (mehr oder weniger) komplette Kinoprogramm von insgesamt 21 Großstädten wieder (natürlich ebenfalls mit den Bewertungen der Kinobetreiber). Dies bedeutet, dass auch viele B- und C-Filme sowie Wiederaufführungen gem>eldet wurden, die es beim Filmecho nicht gab. Denn dort spielen auch persönliche Vorlieben (und Abneigungen) eine Rolle. So ist mir z. B. aufgefallen, dass Filme mit Brigitte Bardot wesentlich besser liefen, als es die Filmecho-Einsendungen vermuten ließen. Ganz allgem>ein sind beim Filmecho deutsche Filme über- und ausländische Filme unterrepräsentiert ? zumindest in den 50er Jahren. Außerdem> ist mir schon bei der Recherche der 70er Jahre aufgefallen, dass „Schmuddelfilme“ ungern von den Kinobetreibern „freiwillig“ bewertet wurden und dem>entsprechend deutlich unterrepräsentiert sind. Das führt dazu, dass der höchste „Neuzugang“ 1956 Insel der Frauen (3,3 Mio. Besucher) ist, eine französische Komödie in einem> Nudistencamp – im Filmecho gab es nicht eine einzige Bewertung!

Und nun die schlechte Nachricht: Auch die neuen Jahres-Charts geben natürlich bei den allermeisten Filmen nicht echte Besucherzahlen wieder. Aber aufgrund meiner Kontrollgruppe an Filmen, deren Zahlen ich habe, bin ich zuversichtlich, dass nun etwa 80 % der Filme Pi mal Daumen in diesem> Bereich auch anzusiedeln sind. Ohne Zeitmaschine (oder unverhoffte neue Funde) wird es einfach keine genaueren Zahlen mehr geben?

Natürlich werde ich weiter recherchieren und selbst die neuen Jahres-Charts werden sich noch mehrmals verändern, wenn ich weitere Daten einspeise.

Und Ostern erscheint dann das große Update des Jahres 1957?