Die Gesandte des Papstes

Als Fan historischer Stoffe bin ich ja immer auf der Suche nach neuem> Content, und als wir die Möglichkeit hatten, den Film im Rahmen des Münchner Filmfests zu sehen, wollte ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Tatsächlich war ich bereits früher auf den Stoff aufmerksam geworden, als uns der Trailer und einige Ausschnitte präsentiert wurden, und auch wenn ich ansonsten kein großer Fan von religiös motivierten oder besonders erbaulichen Geschichten bin, hat mich der Look sehr überzeugt. Heute, pünktlich zum Kinofest, startet er in unseren Kinos.

Die Gesandte des Papstes

Francesca Cabrini (Cristiana Dell?Anna) hat als junges Mädchen eine Tuberkulose-Erkrankung überstanden, die ihre Gesundheit nachhaltig geschädigt hat. Die ärzte geben ihr nur noch wenige Jahre zu leben. Da mehrere Orden sie deshalb als Novizin zurückgewiesen haben, gründete sie kurzerhand ihren eigenen Orden, die ?Missionsschwester vom Heiligsten Herzens?, der sich vor allem> um Waisenkinder kümmert. Doch Cabrini will noch mehr leisten und bittet den Papst um einen Missionsauftrag im Fernen Osten. Leo XIII. (Giancarlo Giannini) überträgt ihr jedoch höchst widerstrebend eine andere Aufgabe: Sie soll sich um die Waisenkinder italienischer Einwanderer in New York kümmern.

Angel Studios, die Produktionsfirma, die hinter diesem> Bio-Pic steckt, ist bekannt für seine religiösen Stoffe, die entweder bibelaffin sind (Bethlehem>, Der König der Könige) oder sich mit moralisch erbaulichen Them>en beschäftigen (Dein Weg, I Can Only Imagine). Manche handeln von Wundern und Menschen mit einem> starken Glauben, andere richten sich mit geschicktem> Marketing an ein rechts-konservatives Publikum, das seine begrenzte Weltsicht bestätigt sehen möchte (Sound of Freedom). Man kann daher verstehen, dass die Firma für viele ein rotes Tuch ist.

Dennoch sollte man versuchen, den Film unabhängig von der Politik seiner Produktionsfirma zu sehen, mit der man übereinstimmt oder die man grundsätzlich ablehnt. Und Die Gesandte des Papstes hat durchaus seine Qualitäten. In erster Linie muss man die bildgewaltige Kamera von Gorka G?mez Andreu loben, die aus nahezu jeder Einstellung ein Gem>älde macht. Sie ist nicht wirklich innovativ oder mutig, besticht aber mit einer wunderschönen Optik ? und lässt das Elend New Yorks so malerisch erscheinen, dass man immer wieder zutiefst beeindruckt ist.

Auch das Drehbuch von Rod Barr punktet mit einer klaren, packenden Geschichte, die von einer beeindruckenden jungen Frau handelt, die schwer krank ist, aber ihrem> Schicksal trotzt und das Leben vieler Menschen verändert. Cabrini ist eine Naturgewalt, der man sich nicht in den Weg stellen sollte, was zuerst der Papst erleben muss, später dann der Bürgermeister von New York (John Lithgow), der lange Zeit ihr erklärter Widersacher ist. Bem>erkenswert sind auch die Them>en der Geschichte, die so gar nicht dem> üblichen Weltbild der Klientel entspricht, an die sich Angel Studios normalerweise wendet: Die Rechte von Frauen und Einwanderern. Leute, die ihre Regierung gerade dafür bejubeln, dass sie buchstäblich Jagd auf Immigranten macht und Frauen auf offener Straße von maskierten Polizisten in Lieferwagen zerren lässt, müssen sich von einer kleinen Italienerin anhören, dass man Einwanderer mit Güte behandeln solle und eine bezahlbare gesundheitliche Versorgung ein Menschenrecht sei. Man fragt sich, ob die rechtspopulistischen Zuschauer in den USA bei diesen Worten Schnappatmung bekommen und ?Kommunismus? murmeln.

Möglich ist das vermutlich nur, weil die Story erstens im späten 19. Jahrhundert spielt und zweitens von einer Frau handelt, die als erste amerikanische Heilige in die Geschichte eingegangen ist. Zusammen mit dem> ersten amerikanischen Papst ist das ein Them>a, das auch heutige Christen ansprechen dürfte, die mit vielen Aussagen Cabrinis mit Sicherheit nicht einverstanden wären, würden sie sich etwa auf muslimische Einwanderer oder Transsexuelle beziehen. Aber die religiösen Rechten verstehen es ja gut, die Aussagen eines Werkes so zu verdrehen, dass sie bequem> in ihr Weltbild passen.

Als klassisches Bio-Pic folgen wir Cabrini nach New York, wo sie zuerst ein Waisenhaus gründet und sich dabei mit dem> engstirnigen, irischen Erzbischof (David Morse) sowie einem> gefährlichen Zuhälter anlegt. Findig wie sie ist, kann die Ordensmutter ihre vielen Problem>e der Reihe nach lösen und dank ihrer Beharrlichkeit etliche weitere Hindernisse überwinden. Tatsächlich werden ihr eine Menge Steine in den Weg gelegt, von körperlicher Bedrohung hin zur willkürlichen Verhaftung und Brandstiftung bleibt ihr nichts erspart. Das macht die Geschichte spannend und abwechslungsreich.

Erfreulicherweise reitet der Film auch nicht so sehr auf ihrem> unerschütterlichen Glauben herum, sondern betont vielmehr den Mut, zu seiner Sache zu stehen und gegen Widerstände zu kämpfen. Dadurch wirkt die Geschichte sehr amerikanisch, vor allem> dank des guten Endes, das sie schlussendlich nimmt.

Die Gesandte des Papstes ist ein durchweg unterhaltsamer, mitunter sogar packender Film, ein wenig zu konservativ umgesetzt von Regisseur Alejandro G?mez Monteverde und mit seinen fast zweieinhalb Stunden viel zu lang, aber nie langweilig oder zu pathetisch. Wer historische Stoffe über starke Frauen mag, ist hier genau richtig.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.