Dieser Film entstand während der Pandem>ie und erschien bei uns im Frühjahr 2022, wo er weitgehend unterging. Ich kann mich nicht einmal erinnern, ob er in einem> Kino in meiner Nähe lief, sonst hätte ich ihn mir vermutlich angesehen, da mich der Trailer neugierig gem>acht hat. Von Louis Wain hatte ich zuvor auch noch nie gehört, aber mit großer Sicherheit ein paar seiner Katzenbilder gesehen.
So ganz passt der Titel ja nicht in diese Reihe, weil er viel zu kurz ist und zu wenig über den Inhalt des Films verrät, aber leider hatte ich hier schon über Der Engländer, der in den Bus stieg und bis ans Ende der Welt fuhr geschrieben und keinen besseren Film mit Bandwurmtitel zur Hand, und er ist immerhin länger als viele andere Titel. Die Produktion findet sich bei Wow.

Die wundersame Welt des Louis Wain
Nach dem> Tod seines Vaters ist Louis Wain (Benedict Cumberbatch) bereits mit zwanzig das Oberhaupt der Familie und verantwortlich für seine Mutter (Phoebe Nichols) und seine fünf Schwestern. Als ausgebildeter Maler und Illustrator findet er eine Anstellung bei einem> Magazin, das von seinem> Mentor Sir William Ingram (Toby Jones) geleitet wird. Dort zeichnet er vor allem> Tiere, meist auf Landwirtschaftsmessen. Die Familie stellt für die Erziehung der jüngeren Mädchen die dreißigjährige Gouvernante Emily Richardson (Claire Foy) ein, in die sich Louis sofort verliebt. Als sie heiraten, lösen sie wegen der Unterschiede in Alter und sozialer Stellung einen Skandal aus. Doch das Glück der beiden währt nur kurz, denn Emily ist schwer krank.
Ein klassisches Bio-Pic erzählt häufig die gesamte Lebensgeschichte der porträtierten Person, von der Wiege bis zur Bahre, es ist aber auch möglich und seit einigen Jahren populär, sich auf ein bestimmtes Ereignis, das bezeichnend für das Leben der Person war, zu konzentrieren. Bei Louis Wain ist letzteres unmöglich.
Die Briten haben im Verlauf ihrer Geschichte eine bem>erkenswert große Anzahl höchst exzentrischer Personen hervorgebracht, und Louis Wain ist sicherlich einer davon. Zu Beginn lernt man ihn als Hansdampf in allen Gassen kennen, der Boxunterricht bei einem> bekannten Champion nimmt (dabei aber nur Prügel kassiert), eine Oper geschrieben hat, die kein Komponist versteht, und sich vor allem> für Elektrizität interessiert. Im Original heißt der Film entsprechend auch The Electrical Life of Louis Wain. Woher dieses Interesse, das stellenweise schon an Besessenheit grenzt, stammt, wird zwar nie klar, ist aber bezeichnend für einen solch quecksilbrigen und unsteten Charakter.
Benedict Cumberbatch gelingt ein überaus treffendes Porträt, das die bizarren Eigenschaften, die geistige Sprunghaftigkeit und em>otionale Verwirrtheit Wains herausarbeitet, ohne ihn dabei als Karikatur erscheinen zu lassen. Sein Wain ist zutiefst menschlich und auf eine sehr sympathische Weise lächerlich. Man lacht jedoch nicht über ihn, sondern mit ihm über die Absurditäten des Lebens.
Im ersten Drittel funktioniert das wunderbar, selbst ohne Katzen, doch der Film von Will Sharpe, der auch zusammen mit Simon Stephenson das Drehbuch geschrieben hat, bekommt mit Emilys Erkrankung eine ernste und traurige Note. Erst in dieser Phase findet Wain zu seinem> großen Them>a, den Katzen, denn das junge Paar, das unter dem> Schatten des Todes lebt, adoptiert Peter, einen jungen Kater, den Louis immer wieder zeichnet und der zu seiner ersten felinen Muse wird.
Mit seinen vermenschlichten Katzen, die Billard spielen, Zigarren rauchen und Weihnachten feiern, wird Wain zu einem> der bekanntesten Künstler des späten 19. Jahrhunderts, dessen Illustrationen viele Bücher, Zeitschriften und Bilder zierten. Wains Katzen waren überall und veränderten sogar den sozialen Stellenwert der Tiere. Das bedeutet nicht, dass die Briten vorher keine Katzen als Haustiere gehalten hätten, sie wurden, im Gegensatz zu Hunden und Pferden mit ihren Stammbäumen und strengen Zuchtverfahren, nur kaum beachtet. Dank Wain waren die Menschen nun plötzlich stolz auf ihre Katzen, gründeten Vereine und verbesserten so insgesamt auch das Los der Tiere.
So geschickt Wain mit dem> Zeichenstift auch war, als Geschäftsmann hat er auf voller Linie versagt. Er verkaufte für geringe Summen nicht nur seine Bilder, sondern auch das Copyright daran, so dass vor allem> andere von seinem> Ruhm profitierten, während er selbst arm und verschuldet blieb. Seine Mutter war ständig krank, keine seiner Schwestern hat je geheiratet, und dann wurde bei der Jüngsten noch Schizophrenie diagnostiziert, was die Familie nach dem> Skandal noch weiter sozial isoliert hat.
Von da an geht es nur noch bergab. Auch Wain zeigt Anzeichen einer Geisteskrankheit, sein ohnehin exzentrisches Verhalten wird immer bizarrer, und Sharpe findet dafür eine sehr einprägsame und kluge Bildsprache. Bei einem> Streit lösen sich die Bilder in verwischte Farben und verschwommene Bewegungen auf, das Format orientiert sich ohnehin an dem> alter Stummfilme und bisweilen setzt der Regisseur auch die damals üblichen Rundblenden ein. Um Wains mitunter farbenfrohen Bilder gerecht zu werden, schwelgt er bisweilen aber auch in üppigen Arrangem>ents und greift sogar die kaleidoskopartigen Bilder aus Wains Spätphase auf. Visuell ist das alles eindrucksvoll.
Leider ist Wains Leben in der zweiten Hälfte nicht mehr so interessant wie vor seinem> Aufstieg. Seine Verrücktheiten wiederholen sich, sein Geisteszustand verfällt immer weiter, und auch wenn Cumberbatchs Spiel beeindruckend ist, schleichen sich doch einige Längen ein. Erst in den letzten Minuten gelingt es Sharpe, das Ruder wieder herumzureißen und überrascht mit einem> poetischen und anrührenden Finale.
Note: 3