Der Film kam 2018 in unsere Kinos, und ich kann mich noch vage an den Trailer erinnern, den wir auf einer Tradeshow gesehen haben. Er sah solide aus, die Besetzung war bem>erkenswert, und dennoch ging er bei mir dann irgendwie unter. Es gibt einfach zu viele Filme, die ganz okay zu sein scheinen, deren Grundidee oder Machart aber nicht so herausragend ist, dass man das Gefühl hat, sie unbedingt sehen zu müssen. Gelegenheitsfilme könnte man sie nennen, Filme, die man sich bei Gelegenheit mal anschauen könnte. Bei Kinobetreibern werden sie auch Mittelware genannt.
Inzwischen habe ich eine unglaublich lange Liste mit Titeln dieser Filme, und irgendwie fühlt es sich manchmal wie Arbeit an, sie nach und nach zu sichten. Was bei mir schon seit vielen Jahren zu einer gewissen Filmmüdigkeit geführt hat. Schuld daran sind natürlich auch die oft originelleren und innovativeren Serien. Selbstverständlich gibt es auch hier sehr viel Mittelware, aber eben auch vieles, was herausragt und neugierig macht. öfter als bei Kinofilmen. Falls es jem>anden interessiert: Die Golfer-Serie Stick auf Apple erzählt die wohl schönste Cheerie-Geschichte seit vielen Jahren. Auch für Leute, die sich, wie ich, kein bisschen für Golf interessieren.
Der Septem>ber war der Monat, in dem> wir früher häufig im US-amerikanischen Südwesten wandern gegangen sind, in genau der Gegend, die durch viele Western berühmt geworden ist. Momentan können wir es uns nicht vorstellen, in den nächsten Jahren wieder in die USA zu reisen, aber man kann sich wenigstens ein paar Filme anschauen, die dort spielen, und an glücklichere Zeiten denken. Und damit starten wir in unsere Wild-West-Woche.

Feinde ? Hostiles
Rosalee Quaid (Rosamund Pike) lebt mit ihrem> Mann und drei kleinen Kindern in einem> abgeschiedenen Farmhaus im New-Mexico-Territorium. Eines Tages werden sie von einer Gruppe Komantschen überfallen, die es auf ihre Pferde abgesehen haben und die Familie brutal ermorden. Nur Rosalee überlebt, schwer traumatisiert.
Captain Joe Blocker (Christian Bale) will in wenigen Wochen den Armeedienst quittieren, als er von seinem> Vorgesetzten einen letzten Auftrag erhält: Er soll den berüchtigten Häuptling Gelber Falke (Wes Studi), der an unheilbar Krebs erkrankt ist, zum Sterben in seine Heimat in Montana begleiten. Joe lehnt rundheraus ab, da der Cheyenne einige seiner besten Freunde getötet hat, wird aber gezwungen, den Auftrag auszuführen. Unterwegs begegnen sie Rosalee und helfen ihr, ihre Familie zu begraben, geraten dabei aber selbst ins Visier der Komantschen.
Früher waren Western klassische Erzählungen von Gut und Böse, wobei die Rollen klar verteilt waren: Die Indianer waren die Schurken, die heimtückisch Jagd auf unschuldige Siedler machen, die Soldaten hingegen die Helden, die die Pioniere verteidigen. Doch nach dem> Zweiten Weltkrieg hat sich der Blick auf den Wilden Westen langsam verändert, es gab weniger verklärende Klischees und dafür mehr Realismus.
Feinde ? Hostiles beginnt allerdings so wie ein Western von vor siebzig Jahren mit einem> überfall auf eine wehrlose Siedlerfamilie, die brutal abgeschlachtet wird. Regisseur Scott Cooper, der auch das Drehbuch verfasst hat (nach einer Idee von Donald Stewart), wirft den Zuschauer gleich zu Beginn unmittelbar hinein in ein überaus brutales, verstörendes Gem>etzel, nach dem> für Rosalee nichts mehr so sein kann wie zuvor.
Danach verlagert sich die Perspektive auf Joe und die anderen Soldaten, die einen schwierigen Auftrag erledigen müssen. Als Veteran der Indianerkriege, der selbst zahllose Gräueltaten verübt und Männer, Frauen und Kinder abgeschlachtet hat, kann Joe dem> Feind nicht vergeben. Obwohl er perfekt ihre Sprache spricht, sieht er in Gelber Falke und seinen Kindern, die ihn auf dem> letzten Weg begleiten, nur die grausamen Wilden, die seine besten Freunde ermordet haben, weshalb er sie als erstes in Ketten legen lässt.
Zusammen mit seinem> Sergeant Tommy Metz (Rory Cochrane), dem> die Entlassung aus dem> Militärdienst droht, weil er unter schweren Depressionen leidet, und seinem> langjährigen Weggefährten Woodson (Jonathan Majors), macht sich Joe auf den Weg. Zur Bewachung der Indianer werden ihm noch zwei weitere Soldaten zugeteilt: Lieutenant Kidder (Jesse Plem>ons) und der junge Rekrut DeJardin (Timoth?e Chalamet). Insgesamt also eine illustre Besetzung, die Cooper hier zusammengestellt hat.
Der Regisseur nimmt sich auch genügend Zeit, seine Figuren vorzustellen, sie über ihr Leben sinnieren zu lassen, vor allem> aber über ihre Sünden. Es ist eine Geschichte über das Töten und was es mit dem> Menschen macht, mit den Tätern ebenso wie mit den (überlebenden) Opfern. Es ist eine Geschichte voller Traurigkeit, langsam und einfühlsam erzählt. Nicht nur für Gelber Falke ist es eine Reise in den Tod, auch viele andere Figuren werden unterwegs sterben, zumeist auf grausame Weise.
Im Grunde ist Feinde ? Hostiles ein Roadmovie, nur ohne Autos und Straßen, dafür mit wenigen Pferdestärken und einer wunderschönen Landschaft, die anfangs aus den roten Felsformationen Colorados und später aus dem> üppigen Weideland Montanas besteht. Das Tem>po ist langsam, gem>ächlich, stellenweise sogar eine Herausforderung. Mit der Reise in die Heimat der Cheyenne gibt es zwar ein klares Ziel, viel wichtiger sind allerdings die Erlebnisse entlang des Wegs. Aus diesem> Grund zerfällt die Story in drei Einzelepisoden: Zunächst geht es um Rosalee, der Joe einfühlsam hilft, die traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten, während er sie zum nächsten Ort mit Eisenbahnanschluss bringt. Dass die mordlüsternen Komantschen immer noch in der Nähe sind und die Reisenden verfolgen, sorgt hierbei für die nötige Spannung.
Später erhält Joe noch einen weiteren Auftrag, der einen kleinen Umweg erfordert: Er soll einen abtrünnigen Soldaten (Ben Foster), der einige Indianer auf bestialische Art und Weise ermordet hat, zur nächsten Militärgarnison begleiten, wo er hingerichtet werden soll. Der Mann entpuppt sich jedoch als ehem>aliger Kamerad von Joe, der eine lebendige Erinnerung an die Gräueltaten ist, die er selbst im Krieg verübt hat.
Weitere kleinere Episoden handeln von einer Auseinandersetzung mit Trappern, die Rosalee und die mitreisenden Indianerinnen entführen und vergewaltigen, sowie von einem> Streit mit Farmern, die Gelber Falke eine Bestattung auf dem> Land seiner Vorfahren verweigern. Jede Begegnung, jeder Konflikt endet mit brutaler Gewalt, und der Westen, der im Jahr 1892 gar nicht mehr so wild und gesetzlos ist, erscheint als eine Art Vorhölle, in der jeder seinem> Mitmenschen zum Teufel wird.
Von der Verklärung früherer Western ist in Feinde ? Hostiles nichts mehr zu spüren. Die Menschen sind keine strahlenden Helden, sondern gebrochene Charaktere, die zu viel Schreckliches gesehen, erlebt und selbst verbrochen haben. Sie alle sind krank, entweder am Leib oder an der Seele, schwer traumatisiert wie Rosalee oder in Depressionen versunken wie Metz, der irgendwann konstatiert, dass er rein gar nichts mehr fühlt.
Doch Cooper erzählt nicht nur von Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung, sondern auch von Reue und Wiedergutmachung. Joe ist anfangs noch stark in der Vergangenheit verhaftet, er hält am alten Schwarz-Weiß-Denken fest, in dem> er der Gute und Gelber Falke der Böse ist, aber mit der Zeit lernt er, die Welt aus der Sicht seines Feindes zu sehen und seine eigenen Taten kritisch zu hinterfragen. Es ist die Geschichte einer vorsichtigen Annäherung eingeschworener Feinde, die entdecken, dass sie viel mehr verbindet als trennt. Am Ende erscheint eine Versöhnung vielleicht sogar möglich, man fragt sich aber auch, ob es dafür nicht bereits zu spät ist.
Der Westen wird nicht durch heroische Taten erobert, sondern in einem> blutigen Kampf erstritten, der von allen Beteiligten einen hohen Preis abverlangt: ihre Menschlichkeit. Sie zurückzuerlangen ist ein schwieriges Unterfangen, und genau davon erzählt dieser wunderbare Film.
Note: 3+