Downton Abbey: Das große Finale

Mitte der Siebzigerjahre lief bei uns die sehr erfolgreiche britische Serie Das Haus am Eaton Place über eine Familie der gehobenen Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts und ihre Dienstboten. Derselbe britische Sender, ITV, hat Jahrzehnte später Julian Fellows beauftragt, eine Art Rem>ake zu kreieren, das zu einem> internationalen Hit wurde ? außer bei uns, weil das ZDF, das damals die Senderechte besaß, nicht wusste, was es damit anstellen sollte, und die Staffeln teils im Nachmittagsprogramm verbraten hat. Erfolgreich wurde die Adels-Soap bei uns erst viel später, vermutlich als ein Streamingdienst sich ihrer angenommen hat, oder nachdem> sich herumgesprochen hatte, dass sie richtig gut gem>acht ist.

Nun kam endlich das große Finale in unsere Kinos, und irgendwie hat man das Gefühl, sich schon seit Jahren von den liebgewordenen Figuren zu verabschieden, zuerst beim Ende der Serie und dann nach jedem> Film. Dass dies nun tatsächlich der allerletzte Ausflug nach Downton Abbey sein soll, mag man daher irgendwie nicht recht glauben, vor allem> nicht in der heutigen Zeit, in der alles wieder und wieder recycelt wird. Mich würde es daher nicht wundern, gäbe es in ein paar Jahren beispielsweise ein Prequel über den jungen Earl und seine Heirat mit einer amerikanischen Erbin, vielleicht sogar als Cross-Over mit Fellows Serie The Gilded Age, oder eine Miniserie über die Erben von Downton Abbey mit den Abenteuern der nächsten Generation im Zweiten Weltkrieg.

Downton Abbey: Das große Finale

1930 sorgt Lady Mary (Michelle Dockery) mit ihrer Scheidung für einen Skandal, denn in den Kreisen der High Society ist es einer geschiedenen Frau nahezu unmöglich, weiterhin mit ihresgleichen zu verkehren. Um ihre Reputation wiederherzustellen, unternehmen ihre Eltern (Elizabeth McGovern und Hugh Bonneville) einige Anstrengungen, die jedoch erst mit der Hilfe des gefeierten Autors Noel Coward (Arty Froushan) Früchte tragen. Gleichzeitig muss die Familie einen weiteren Schlag hinnehmen, denn nach dem> Tod ihrer Mutter erfährt Lady Crawley, dass ihr Bruder (Paul Giamatti) den Großteil des Vermögens verloren hat. Gerät die Familie nun in finanzielle Not?

Die Zwischenkriegszeit hat für die grundbesitzende Klasse, zu der hauptsächlich, aber nicht ausschließlich der Adel gehörte, einige tiefgreifenden änderungen gebracht. Steuerliche Privilegien verschwanden, Dienstboten waren nicht mehr so billig und vor allem> willig, ein Leben lang in Diensten zu stehen, sondern verlangten nun mehr freie Tage und bessere Bezahlung, also Bedingungen wie sie in den Fabriken schon lange üblich waren, und auch das Empire bröckelte bereits an allen Ecken und Enden.

Julian Fellows, der Schöpfer der Serie und Autor des dritten und voraussichtlich letzten Kinofilms, hat sich stets bem>üht, diese sozialen Umbrüche dramatisch aufzuarbeiten und mit den privaten Schicksalen einer adeligen Familie und ihrer Dienstboten sowie dem> damaligen Zeitgeschehen zu verknüpfen. In der Vergangenheit ging es um den Ersten Weltkrieg, die Spanische Grippe und die Wirtschaftskrise, jetzt dreht sich die Geschichte vor allem> um die leidigen Finanzen und um die Nachfolge in der Verwaltung der Familiengeschäfte. Nachdem> der Earl bereits im zweiten Film einen Teil der Verantwortung auf seine Tochter übertragen hat, steht nun die Frage im Raum, ob er sich komplett aufs Altenteil zurückzieht und damit eine ära beendet.

Der dritte Kinofilm, so etwas wie ein letztes Hurra, schöpft noch einmal aus dem> Vollen: Wunderschöne Kostüme, tolle Kulissen und eine prachtvolle Ausstattung versetzen den Zuschauer in die frühen Dreißigerjahre. Die liebgewordenen Figuren sind inzwischen alle älter geworden (die Zuschauer freilich auch), und manche denken nun an den Ruhestand. Der Butler Carson (Jim Carter), der sich schon mehrfach zurückgezogen hatte, aber immer wieder das Zepter übernommen hat, gibt es nun an seinen Nachfolger weiter, und auch die Köchin Mrs. Patmore (Lesley Nicol) reicht den Kochlöffel an ihre langjährige Nummer Zwei Daisy (Sophie McShera) weiter. Andere sind bereits weitergezogen, so lebt der ehem>alige Diener Barrow (Rob James-Collier) inzwischen mit seinem> Geliebten, dem> Filmstar Guy Dexter (Dominic West), zusammen, während sein Kollege Molesly (Kevin Doyle) Erfolg als Drehbuchautor hat.

Im Grunde nimmt Fellows nur die vielen Figuren, die die Serie bevölkert haben, und schreibt jeder einzelnen ein würdiges und em>otional zufriedenstellendes Happy End. Man könnte sagen, er wickelt die Serie ab. Das geschieht auf unterhaltsame, leicht humorvolle und vor allem> denkbar unaufgeregte Art und Weise. Die Serie war schon immer eine Seifenoper im edlen Gewand, und als solche geht sie nun auch zu Ende, unspektakulär, ohne große Konflikte oder Hindernisse, aber sehr zufriedenstellend und angem>essen im nostalgischen Look. Wer bislang noch kein Freund der Crawleys und ihrer Familie und Bediensteten war, wird es mit diesem> Film nicht werden, die Fans der Serie werden ihn jedoch feiern und sich über dieses wunderschöne und herzerwärmende Ende freuen.

Note: 2

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.