Der Film beginnt mit einem> Disclaimer: Rund siebzig Prozent des Werkes von Harry Piel gingen im Zweiten Weltkrieg verloren, als sein Archiv zerstört wurde. Die wenigen Filme, die man heute noch zu sehen bekommt, gehen auf alte Vorführkopien zurück, die teilweise stark abgenutzt waren. Sie wurden zwar digitalisiert und mit moderner Computertechnik wieder hergestellt, sehen aber dennoch manchmal wie zerschlissen aus, auch der Ton ist nicht optimal, manche Tonspuren scheinen sogar vollständig zu fehlen. Das macht den Film vermutlich nur für Cineasten interessant.
Nachdem> mir Jonny stiehlt Europa einigermaßen gefallen hat, war ich neugierig auf diese Science-Fiction-Komödie, die entfernt an H.G. Wells Der Unsichtbare erinnert und im selben Jahr (1933) erschienen ist wie die bekannte Hollywood-Adaption des Romans. Amazon Prime hat noch weitere Piel-Filme im Angebot, und ursprünglich wollte ich ihm sogar eine ganze Woche widmen, habe mir dann aber nur die zwei interessantesten Titel ausgesucht. Man will es ja nicht gleich übertreiben.
Ein Unsichtbarer geht durch die Stadt
Harry (Harry Piel) arbeitet als Taxifahrer in Berlin, kommt trotz großen Fleißes jedoch nicht voran im Leben. Die Zeiten sind hart, das merkt auch Harrys Schwarm Annie (Annem>arie Sörensen), die mit ihrer Mutter ein Blumengeschäft betreibt und droht, aus ihrer Wohnung zu fliegen, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen kann. Ans Heiraten will sie gar nicht denken, denn ohne Geld kann man ja nicht glücklich sein. Als Harry eines Tages von rätselhaften Diebstählen in einem> Villenviertel liest und ein Mann, den er dort mitnimmt, in seinem> Taxi einen Koffer mit einer seltsamen, tragbaren Apparatur vergisst, entdeckt er beim Anlegen derselben, dass sie ihren Träger unsichtbar macht.
Bei Wells ist es ein Serum, das der Held trinkt, worauf er unsichtbar wird, ein Zustand, der nicht nur nicht mehr rückgängig zu machen ist, sondern auch langsam zum Wahnsinn führt. Eine klare Warnung vor wissenschaftlicher Hybris. Harry Piel und sein Drehbuchautor Hans Rameau gehen jedoch einen anderen, eher spielerischen Weg und fragen sich, was ein normaler Mensch wohl tun würde, wenn er unsichtbar wäre.
Wäre dies eine Marvel-Produktion, wäre die Antwort vermutlich: Menschen in Not helfen. Aber so altruistisch sind die Macher nicht, sie denken eher an persönliche Bereicherung. Harry kommt auf die Idee, als Unsichtbarer Pferdewetten zu manipulieren, indem> er die Tiere mit lauten Geräuschen scheu macht und den Außenseiter, auf den er gewettet hat, siegen lässt. Nicht wirklich glaubwürdig, aber jeder Unsichtbare fängt ja mal klein an.
Das Problem> mit der Unsichtbarkeit ist ? nun ja, dass man den Betreffenden nicht sehen kann. Was für einen eher eitlen Schauspieler wie Piel, der in jeder Szene dominieren muss, grundsätzlich problem>atisch ist. Das führt dazu, dass abgesehen von einer längeren Szene, in der er die Wirkweise der Apparatur testet und seinen Mitbewohner zum Narren hält, Piel nur auf der Pferderennbahn unsichtbar ist und danach nicht mehr.
Die Apparatur ist also nur ein Gimmick, ein Mittel zum Zweck, um zu zeigen, was Harry mit dem> vielen Geld anstellt. Zuerst bem>üht er sich um Annie, doch die ahnt, dass er sein Vermögen auf unredliche Weise erlangt hat, und weist ihn erneut zurück. Dann amüsiert sich Harry mit einer Schauspielerin (Lissy Arna), die ihn nur ausnutzt und sich mit ihren Freunden (hier haben die Stars Theo Lingen und Hubert von Meyerinck Cameos) von ihm aushalten lässt. Dadurch entstehen leider einige Längen in der Handlung, die dem> Zuschauer einiges an Geduld abverlangen.
In Fahrt kommt die Geschichte erst, als sein früherer Mitbewohner die Apparatur stiehlt und sich zum Verbrecher aufschwingt. Da nur Harry von seinem> Geheimnis weiß, ist er allein in der Lage, ihn zu stellen. Doch wie verfolgt man einen Unsichtbaren? Ab diesem> Moment gewinnt die Geschichte sowohl an Tem>po als auch an Spannung. Der Sensationsdarsteller Piel hängt am Heck eines fahrenden Wagens und klettert an einem> Seil hinauf, um in einen fliegenden Zeppelin zu gelangen. Tom Cruise macht das heute noch genauso, wenn auch bei höherer Geschwindigkeit.
Leider enttäuscht der Film in der Auflösung, die hier nicht verraten sei, falls sich jem>and diese harmlose, aber filmhistorisch interessante Komödie anschauen möchte. Sie lohnt sich, um zu sehen, wie anders Anfang der Dreißigerjahre noch erzählt wurde, wie neugierig, innovativ und mutig die Filmem>acher dieser Zeit waren. Bem>erkenswert ist vor allem> die Kamera von Ewald Daub, der immer wieder interessante Blickwinkel findet und eine Beweglichkeit an den Tag legt, die für damalige Verhältnisse selten war. Auch die Ansichten des Vorkriegs-Berlin sind nicht schlecht.
Note: 3-