Regelmäßig im Oktober, wenn es auf Halloween zugeht und man allüberall mit der entsprechenden Deko und Werbung bombardiert wird, wenn man Süßigkeiten kauft, weil man glaubt, dass ja vielleicht ein paar verkleidete Kinder vor der Tür stehen könnten, aber weiß, dass man das alles alleine essen darf, bekomme ich Lust auf Horrorfilme. Liegt vielleicht auch an der nebeligen Stimmung vor der Tür, und dieses Jahr scheinen wir besonders viel Nebel zu haben. Im Kino ist das Angebot in diesem Herbst bislang überraschend mager, daher habe ich mich vor allem bei den Streamern umgesehen, was es dort gibt, aber auch nicht viel entdeckt. Bin ich zu wählerisch oder habe ich schon zu viele Filme dieses Genres gesehen, um mich noch begeistern (oder gruseln) zu lassen, oder gibt es momentan einfach keine guten Horrorfilme?
Dieser Titel hatte immerhin einen für dieses Genre halbwegs passablen imdB-Wert und stand schon seit einigen Jahren auf meiner Watchlist bei Disney+. Ein wenig hat mich die lange Laufzeit von über zwei Stunden abgeschreckt, aber diese ist für heute Filme ja normal. Dass in der Kürze die Würze liegt, haben die heutigen Filmemacher noch nicht begriffen.

The Empty Man
Vier Freunde reisen 1995 nach Bhutan, um dort zu klettern. Als Paul (Aaron Poole) zuerst ein geheimnisvolles Geräusch hört und dann unvermittelt in eine Felsspalte stürzt, entdeckt er ein humanoides Skelett, das ihn in seinen Bann schlägt. Er verfällt in eine Trance – und seine Begleiter kommen unter mysteriösen Umständen ums Leben.
23 Jahre später verschwindet in Missouri die achtzehnjährige Schülerin Amanda (Sasha Frolova) spurlos. Ihre Mutter (Marin Ireland) bittet ihren Nachbarn, den Ex-Polizisten James (James Badge Dale), um Hilfe, der sich auf die Suche nach Amanda macht. Deren Freunde erzählen ihm von einer lokalen Legende: Wenn man auf einer Brücke mittels einer leeren Flasche einen Ton erzeugt und dabei an den Empty Man denkt, sucht er einen heim.
Nach der kleinen Ouvertüre in Bhutan, die ein wenig zu lang ausfällt, aber einigermaßen spannend erzählt wird, beginnt erst die eigentliche Geschichte, in der James im Mittelpunkt steht. Er hat vor einem Jahr seine Frau und seinen kleinen Sohn bei einem Autounfall verloren und versucht, irgendwie weiterzumachen. Amanda hat zur selben Zeit ihren Vater verloren, und die Trauer verbindet die beiden. Figuren, die einen persönlichen Verlust erlitten haben, gehören zum Standardpersonal eines Horrorfilms, und auch die weiteren Versatzstücke hat man schon mehrfach gesehen. Dass Jugendliche ein übernatürliches Wesen heraufbeschwören, kommt ziemlich oft vor, und der Empty Man erinnert in gewisser Weise an Candyman, Slender Man oder eine andere filmische Schreckensgestalt. Die jugendliche Neugier auf das Übersinnliche muss wie immer als Erklärung dafür herhalten, dass jemand auf die Idee kommt, von einem Dämon heimgesucht zu werden, sei ein amüsanter Zeitvertreib.
Junge Leute, die dumme Entscheidungen fällen, gehören also auch zu den üblichen Plotelementen, und die Story entwickelt sich erwartungsgemäß mit einigen mysteriösen Todesfällen, von denen aber nur einer gezeigt wird und ein klein wenig gruselig ist. Eher eklig als unheimlich, aber das ist Geschmackssache. James‘ Ermittlungen stehen dabei im Vordergrund, nicht die jungen Menschen und ihre fatalen Schicksale, und das ist schon eine kleine Überraschung.
Tatsächlich kommen diese Ermittlungen aber lange Zeit nur schleppend voran. James findet etwas mehr über Amanda heraus, die sich für ein geheimnisvolles Institut interessiert, das sich schließlich als Sekte entpuppt, und als James weiter nachforscht, stellt er bald fest, dass dieser Kult den Empty Man als eine Art Gottheit anbetet und mehr über ihn und sein Leben weiß, als ihm lieb sein kann.
Das Drehbuch von David Prior, der hier sein Langfilmdebüt gibt, basiert auf einem Comic und mischt bekannte Horrorelemente mit buddhistischer Folklore, nimmt aber auch einige Anleihen bei Angel Heart. Im Gegensatz zu Letzterem mangelt es Priors Film aber an der nötigen unheimlichen und bedrückenden Atmosphäre. Alles wirkt zu clean, zu simpel, zu oft dagewesen. Die Regie ist solide, spart aber mit Jump Scares und anderen Spannungsmomenten, es gibt zu viele Längen, ein zu langsames Tempo und eine etwas unbefriedigende Auflösung.
Wer Horrorfilme mag, die nicht übermäßig gruselig sind, und viel Zeit und Geduld mitbringt, wird sich bei The Empty Man sicherlich gut unterhalten und vielleicht auch dem überraschenden Twist am Ende etwas abgewinnen können. Alle anderen sollten nebenbei vielleicht bügeln.
Note: 4+