The Witch

Stille Nacht, schaurige Nacht. Wenn es früh dunkel wird und klirrender Frost die Welt im Griff hat, ist es umso schöner, sich zu Hause einen Film anzuschauen. Entweder etwas, bei dem einem warm ums Herz wird – mal sehen, ob ich nicht noch irgendwo Ist das Leben nicht schön? finde – oder etwas, bei dem einem das Blut stockt. Gerade in der besinnlichen, manchmal allzu beseelten Weihnachtszeit tut ein bisschen Grusel ganz gut …

The Witch

1630 wird William (Ralph Ineson) wegen seiner eigenwilligen Auslegung der Bibel und ihrer Gesetze aus der Gemeinschaft der neuenglischen Puritaner ausgeschlossen. Unbeirrt zieht er mit seiner Frau Katherine (Kate Dickie) und seinen fünf Kindern (darunter Anya Taylor-Joy)  in die Wildnis, um hier ein neues Leben aufzubauen. Doch die Familie ist vom Unglück verfolgt, der Mais verdirbt auf den Feldern, und ihr schwarzer Ziegenbock verhält sich eigenartig. Williams Zwillinge behaupten sogar, mit ihm zu reden, und dann verschwindet eines Tages das jüngste Kind, ein Säugling, unter äußerst mysteriösen Umständen. Bald wird klar: Eine Hexe lebt im Wald und treibt ein böses Spiel mit den strenggläubigen Siedlern.

Manchmal sieht man einen Trailer und hat sofort Lust, sich den Film anzuschauen. In diesem Fall suggerierte der Vorspann einen dichten, bildgewaltigen Horrorfilm, der in seiner kalten, kargen Bildgestaltung, mit seiner seltsamen, ein wenig schrillen Musik und seinem ungewöhnlichen Setting etwas Neues darzustellen schien. Ein dunkler, bedrohlicher Wald, eine Hexe und eine ahnungslose Familie, die ihr ausgeliefert ist – sofort beginnt das Kopfkino, sich eine spannende Geschichte dazu auszudenken …

Leider kann der Film die in ihn gesetzten Erwartungen nicht ganz erfüllen, zu sehr ist er dafür in seine an sich lobenswerte, authentische Inszenierung verliebt. Zu lange berichtet Drehbuchautor und Regisseur Robert Eggers vom harten, arbeitsreichen Alltag der Familie, von ihren Sorgen und ihrem strengen Glauben. Selbst das plötzliche Verschwinden des Babys, dessen Schicksal in all seinen blutigen Details dem Zuschauer offenbart wird, vermag nur kurz für Spannung zu sorgen.

Die sperrige, an Originaltexten jener Zeit orientierte Sprache ist gewöhnungsbedürftig – ich habe mir gar nicht erst die Mühe gemacht, es mit der Originalversion zu versuchen, denn die Synchronisation ist gut gelungen und nicht weniger verschwurbelt in ihren Formulierungen. Der kühle, aufs Notwendigste reduzierte Look und die entsättigten Farben, die anfangs geheimnisvoll wirken, verlieren aber schon bald ihren Zauber und wirken auf Dauer nur noch ausgeblichen und fad.

Auch inhaltlich weiß Eggers nicht so recht, wo er eigentlich hin will. Er greift alte Mythen auf, bringt Gestaltwandler ins Spiel, magische Rituale und Hexenzirkel (wobei man sich unwillkürlich fragt, woher die weißhäutigen, europäisch anmutenden Hexen eigentlich stammen, wenn gerade erst die ersten Siedler angekommen sind), aber es bleibt bei einer kurzen Präsentation derselben, ohne dass sie Einfluss auf die Geschichte nehmen würden.

Die Bedrohung bleibt diffus, man weiß lange Zeit nicht, ob das Böse jemals aktiv wird oder einfach nur gemütlich darauf wartet, dass einer der Helden sich in seine Nähe bequemt. Wenn gelegentlich etwas passiert – und es geschieht in der zweiten Hälfte so einiges – ist das immerhin eindrucksvoll und manchmal recht drastisch geschildert.

Gegen Ende spielt Eggers noch auf die Hexenprozesse jener Zeit an – Salem war wohl nicht weit – und erzählt von der um sich greifenden Hysterie und wilden, gegenseitigen Beschuldigungen. Der Untergang der Familie ist so nicht nur dem Bösen zuzuschreiben, sondern vor allem auch ihren eigenen Schwächen. Das ist ziemlich gut gelungen und verleiht dem Film eine Wucht, die man sich in Gänze von ihm gewünscht hätte. Danach schlägt er jedoch eine neue, fantastische Volte und kippt endgültig ins Übernatürliche – und das geht leider schief.

Toll in Szene gesetzter, aber insgesamt zu langatmiger Film, der etwas unentschlossen zwischen Psychodrama und Horrorfilm schwankt. Für Horrorfilmfans mal was anderes.

Note: 3-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.