Der Vorname

Nächste Woche ist Weihnachten. Damit verrate ich nichts Neues, und wer noch nicht alle Geschenke besorgt hat (so wie ich) oder sich noch nicht mal überlegt hat, was es an den Tagen zu essen geben soll (so wie ich), kann jetzt langsam in den Panik-Modus schalten (nein, nicht wie ich – ist ja schließlich noch sooo viel Zeit …).

Weihnachten gilt auch als Fest der Liebe und der Familie, und es gibt vermutlich nur wenige Tage im Jahr, an denen mehr gestritten wird, an denen mehr Menschen einen Herzinfarkt erleiden und spontan beschließen, sich scheiden zu lassen. Das kommt davon, wenn zu große Erwartungen an ein Fest voller Liebe, Frieden und Harmonie gestellt werden, die dann auf die knallharte Wirklichkeit treffen.

Manchmal muss aber nicht Weihnachten sein, um eine Familie an den Rand des Ausnahmezustands zu bringen, manchmal reicht auch ein kleiner, an sich freudiger Anlass, wie man in Sönke Wortmanns aktuellem Film sehen kann.

Der Vorname

Literaturprofessor Stephan (Christoph Maria Herbst) und seine Frau Elisabeth (Caroline Peters) haben die Familie zu einem gemütlichen Abendessen eingeladen. Dabei sind Elisabeths Bruder Thomas (Florian David Fitz), ein erfolgreicher Geschäftsmann, und Ziehbruder René (Justus von Dohnányi), der in einem Symphonieorchester spielt. Etwas später stößt noch Thomas’ schwangere Freundin Anna (Janina Uhse) dazu. Nach dem Namen des Kindes gefragt, verkündet Thomas den entsetzten Anwesenden, dass sie sich für Adolf entschieden haben …

Man merkt dem Film von Sönke Wortmann an, dass er auf einem erfolgreichen französischen Theaterstück basiert, welches vor einigen Jahren schon einmal für die große Leinwand adaptiert wurde: Die Geschichte spielt weitgehend an einem Ort und an einem Abend, die Dialoge sind elaboriert und transportieren die Handlung. Das alles ist natürlich kein Makel oder Einschränkung, lässt den Film insgesamt nur etwas träger wirken.

Dem Vergnügen tut dies keinen Abbruch. Christoph Maria Herbst als bonierter Linksintellektueller ist eine hervorragende Besetzung und liefert sich ein köstliches Duell mit Florian David Fitz, über dessen Mangel an literarischer Bildung er sich unentwegt lustig macht, während sein Schwager keine Gelegenheit auslässt, ihn mit steilen Thesen zu provozieren. Auch die anderen Darsteller agieren vorzüglich und scheinen sehr viel Spaß an ihren Auftritten gehabt zu haben.

Das Einzige, das man der Geschichte vorwerfen kann, ist eine gewisse thematische Unentschlossenheit und eine Scheu, den Figuren zu viel zuzumuten. Der Streit, ob man in Deutschland den Vornamen Adolf benutzen sollte oder nicht, ist natürlich nur der Aufhänger, in der Folge geht es auch um charakterliche Mängel und familiäre Geheimnisse, die ans Tageslicht kommen. Äußerst gelungen ist vor allem die Auseinandersetzung um die Namensgebung, später mäandert der Streit von einem zum anderen Thema, findet aber keinen Fokus mehr. Im Streit offenbaren die Figuren einiges über sich selbst und lassen ihren Ansichten über die anderen, die sie aus Höflichkeit und aufgrund ihrer familiären Bindungen bislang zurückgehalten haben, freien Lauf, landen dabei auch den einen oder anderen Treffer, ohne jedoch allzu verletzend zu werden. Da wäre durchaus noch mehr drin gewesen.

Alles in allem ein höchst vergnüglicher Film mit einer gut aufgelegten Cast.

Note: 3+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.